Wege zu einer erfüllten Partnerschaft
Interview mit dem Paartherapeuten Andreas Kirsche
„Es hat Zoom gemacht …“: Schmetterlinge im Bauch, Hormone im Höhenflug. Doch dieser Ausnahmezustand lässt bekanntlich mal nach. Statt weiter auf Wolke sieben zu schweben, ertappen wir uns nun gegenseitig bei Zahnpasta am Waschbecken und Krümeln auf dem Esstisch. Außerdem räumt sich die Spülmaschine immer noch nicht selbst ein, und der Abschiedskuss vorhin fühlte sich nicht mehr so liebevoll an. Was ist das denn?
Die rosarote Brille ist weg
Nach ein paar Monaten des Zusammenseins erlebt fast jedes Paar, dass sich der Partner als ganz normales Wesen mit Ecken, Kanten und ja, auch Macken entpuppt. Um weiter und auf Dauer miteinander glücklich zu sein, wird neben aller Romantik der ersten Zeit zu zweit etwas anderes wichtig: Eine gemeinsame Basis zu finden, auf der die Partnerschaft stabil stehen kann. Den Trick 17 dafür haben wir nicht, wohl aber wertvolle Anregungen von einem erfahrenen Fachmann in Liebesdingen: dem Hamburger Paartherapeuten Andreas Kirsche.
Sehr geehrter Herr Kirsche, was ist für eine gute Beziehung wichtig?
Bindung zu schaffen. Früher wurden Beziehungen vielfach durch finanziellen und sozialen Druck aufrechterhalten. Heute, wo jeder alleine leben kann, geht es darum, dass die Partner etwas herstellen, was sie über die Lebensphasen mit allen Herausforderungen zusammenhält.
Wie gelingt das?
Sich gegenseitig als liebevolles Gegenüber bei der Entwicklung der Persönlichkeit zu begleiten, wie sie in jeder Beziehung stattfindet. Das bedeutet, sich als Team zu verstehen. In dem allerdings jeder sich selbst bleiben kann und den anderen nicht für das eigene Wohlergehen verantwortlich macht.
„Machen Sie nicht Ihren Partner für Ihr Glück verantwortlich.“
Was meinen Sie damit?
Bei vielen Paaren geht es um Deutungshoheit – sprich einzig meine Wahrheit zählt. Doch es ist wichtig, dass beide die Ansichten des anderen akzeptieren und tolerieren. Soll heißen, den anderen in seiner Andersartigkeit zu respektieren und ihn nicht zu missionieren.
Missionieren?
Sich in einen Menschen zu verlieben ist,wie einen fremden Kontinent zu entdecken. Dabei sollte man wie ein Völkerkundler vorgehen, nämlich mit wertschätzendem Interesse. Nicht wie ein Missionar, der versucht, dem anderen einen neuen Glauben aufzuzwingen
– sprich ihn verändern zu wollen.
Was ist noch für die Bindung in der Partnerschaft wichtig?
Enorm hilfreich ist es, ein gemeinsames Ziel anzustreben: Miteinander etwas zu erarbeiten verbindet, motiviert und ermöglicht, viel mehr gegenseitig zu verzeihen. Weiter geht es darum, den anderen nicht für die eigene Wertschätzung heranzuziehen. Als Kind schöpfen wir diese aus der Beurteilung unserer Eltern. Als Erwachsene sollten wir den eigenen Wert aus uns selbst schaffen. Das nennt man Selbstvalidierung.
„Entwickeln Sie eine gemeinsame Vision.“
Woran erkennen Sie, ob Paare wieder zusammenfinden können?
Zum einen an ihrem Entwicklungsinteresse: Will jemand überhaupt mit dem anderen wachsen und sich gemeinsam entwickeln. Zum anderen ist die Fähigkeit zur Empathie entscheidend. Das heißt: Kann ich mich mit meinen Schwächen dem anderen zeigen und halte ich umgekehrt auch dessen Nöte aus?
Was ist Ihr wichtigster Rat für Paare?
Niemals die gemeinsame Zeit und die Paarthemen angesichts der täglichen Aufgaben zu vergessen. Sonst verliert man sich als Paar rasch.
Bildquelle: GettyImages/peopleImages & Andreas Kirsche: Guido Knollmeier